Nachrichten Energiepreise: In der Ampel bricht Streit über das Entlastungspaket aus
NachrichtenBerlin Tage- und zum Schluss auch nächtelang hatten Partei und Fraktionsspitzen sowie die zuständigen Minister der Ampelkoalition um das Entlastungspaket gerungen. Ende März stand dann die Einigung.
Es war offensichtlich, dass SPD, Grüne und FDP allesamt ihr eigenes Päckchen eingebracht und daraus gemeinsam ein großes Paket geschnürt haben. Die SPD bekommt Zuschüsse für Sozialhilfeempfänger, die Grünen Neun-Euro-Bahnticket und Energiepauschale, die FDP den Tankrabatt.
Doch jetzt formiert sich in den eigenen Reihen Widerstand gegen den mühsam errungenen Kompromiss. Von „heftigen Diskussionen“ in den Fraktionssitzungen am Dienstag ist die Rede. Am Donnerstag und Freitag will der Bundestag den ersten Teil der Maßnahmen beschließen und über die weiteren Maßnahmen beraten. Die Zeit drängt: Am 1. Juni soll der Großteil des Pakets den Bürgern schon zugutekommen.
Vertreter der Grünen-Fraktion wollen die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) durchgesetzte Steuersenkung auf Kraftstoffe jedoch nicht einfach so hinnehmen. „Ich weise schon seit Wochen darauf hin, dass nicht der Öl-, sondern der Gaspreis für die meisten Verbraucher und auch Unternehmen das gravierendere Problem darstellt“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Dieter Janecek dem Handelsblatt.
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Der Grünen-Politiker warnt davor, dass der Tankrabatt die Nachfrage nach Öl noch erhöhen könne, was den Plänen zuwiderlaufe, zum Schaden Russlands Erdöl einzusparen. „Das Parlament ist nun gefordert, die Zielwirkung der Kabinettsvorlage gerade in Richtung Unabhängigkeit von russischen Energieimporten zu prüfen“, sagte er.
Das ist eine diplomatische Ausdrucksweise. Manch einer aus seiner Fraktion formuliert das hinter vorgehaltener Hand deutlicher: „Warum sollten wir Wladimir Putin noch mehr Öl abkaufen und seinen Angriffskrieg in der Ukraine finanzieren, während der Anstieg der Kraftstoffpreise in Deutschland sich schon wieder gebremst hat?“
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Bei der FDP hingegen gibt es Ärger über die Energiepauschale, einen einmaligen Zuschuss von 300 Euro. Der Finanzausschuss einigte sich am Mittwoch auf die Auszahlung im September; die Pauschale soll am Donnerstag beschlossen werden. Doch um die Details wird noch gerungen. Die Pauschale soll über die Arbeitgeber ausgezahlt werden – und bliebe somit den meisten Rentnern und Studierenden vorenthalten.
„Die Energiepauschale sollten aber alle die bekommen, die auch höhere Energiekosten haben“, sagte FDP-Wirtschaftspolitiker Manfred Todtenhausen. Auch die Bürokratiekosten für die Auszahlung der Pauschale stehen in der Kritik. Sie sollen laut Bundesfinanzministerium 225 Millionen Euro betragen.
Das Problem: Nachverhandlungen sind kompliziert, weil jede Maßnahme Teil des Pakets ist. Die FDP-Spitze hatte etwa das Neun-Euro-Ticket nur widerwillig mitgetragen, weil sie dafür den Tankrabatt bekommen hatte, wie es in Koalitionskreisen hieß.
Nur noch drei Wochen Zeit
Der grüne Vizekanzler Robert Habeck hatte kürzlich bereits klargemacht: Kabinettsbeschlüsse sind aus seiner Sicht bindend. Das Parlament ist zwar unabhängig und hat zumindest auf dem Papier die Macht, noch grundlegende Änderungen herbeizuführen oder Maßnahmen zu streichen.
Doch einen solchen Affront gegen die eigene Spitze wird sich wohl keine der Fraktionen leisten. Relevant ist die jüngste Entwicklung dennoch, denn der Zeitplan ist eng. Das Paket soll die Bürger ab 1. Juni entlasten. Da ist eigentlich kein Raum für Grundsatzdiskussionen.
Diese heizen jetzt aber auch die Länder an, die sich am Mittwoch mit der Finanzierung des Entlastungspakets in einer Sondersitzung des Bundesrats beschäftigt haben. Neben dem eingeschränkten Empfängerkreis bei der Energiepauschale sorgt vor allem das Bahnticket für Ärger. Für neun Euro sollen Bürger den Sommer über je einen Monat lang den öffentlichen Nahverkehr unbegrenzt nutzen können.
Der Bund ist bereit, die erwarteten Einnahmeausfälle der Länder von 2,5 Milliarden Euro zu tragen. Die Länder verlangen aber wegen gestiegener Personal- und Spritkosten zusätzlich 1,5 Milliarden Euro. „Das Ganze hat so starke Mängel“, dass er eine Zustimmung nicht empfehlen könne, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).
Die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Bremens Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne), betonte: „Das Neun-Euro-Ticket soll ein Erfolg werden und kein Rohrkrepierer.“
Verstehen kann die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Beck, die Kritik nicht. Der Bund trage schließlich „den Löwenanteil“ der Finanzierung. Das letzte Wort ist ihrer Aussage nach aber noch nicht zwangsläufig gefallen. Ein „Nachschärfen der Lastenverteilung zwischen Ländern und Bund“ könne noch besprochen werden.
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